Teil 5 - Von Rechthaberei, Skraasikker und Dänemark

Wenn die Hamburger Identität nicht viel mit der anglikanischen gemein hat - mit welchem Land, mit welcher Kultur dann?

Nun, vielleicht ja mit dem Land, das Nummer 1 ist. Nummer 1 bei diesem Ranking der Orte, wo es sich am besten leben lässt. Deutschland steht da auf Platz 13, direkt hinter Groß-Britannien, vor den USA. Die Schweiz liegt ganze 8 Plätze vor uns. Auf Platz 5. Auf Platz 1, da steht Dänemark!

Dänemark - auch ein Land mit horizontaler Gesellschafts-Struktur. Und wie ist es so mit dem Recht haben und dem Bürger-Sein in Dänemark?

„Skraasikker“ heißt „schräg-sicher“. Bedeuten tut es etwas anderes:


„Skraasikker“ steht für eine Person, die sehr kategorisch denkt, unflexibel ist und nicht offen für die Vorschläge anderer. Die Andersdenkende nicht mag. „Skraasikker“ ist jemand mit einer monologischen Persönlichkeit, eine übermäßig sicheren und selbstbezogenen Persönlichkeit.

 

Dänen möchten nicht als „skraasikker“ angesehen werden. Überhaupt scheint Rechthaberei in Dänemark geradezu eine Sünde zu sein! Man ist überzeugt, dass es nicht so etwas gibt, wie die „richtige Meinung“, die „rigtige meininger“.

Ja, es ist sogar so: Schon die Meinung eines anderen zu übernehmen ist etwas nicht-gutes! Damit wäre man „uselvstændig“, unselbständig. Jeder bilde sich selbst eine eigene Meinung. Das ist wichtig für das Dänische, für die Dänen. Sehr wichtig.

Die dänische Mentalität wird, so der Linguist Carsten Levisen in seiner Kultur-Studie von 2012, charakterisiert durch dieses eigene, unabhängige Denken jedes einzelnen. Natürlich wird man immer auch zu einer Gruppe von Leuten gehören, die dem eigenen Denken ähneln. Aber eben nur ähneln. Weil die Grenze zu „ganz übereinstimmen“ per se nie übertreten wird und werden kann.

 

Holla! Das ist natürlich Subjektivismus in Reinform, was die Dänen da vorleben und der Rechthaberei entgegensetzen!

Alles, jeder, jedes ist subjektiv. Das „absolut Wahre“, das „absolut Richtige“ kann es nicht geben. Und ergo das Objektive auch nicht. Auch nicht das objektiv Richtige. 

Und mit so viel Subjektivismus lässt sich eine Gesellschaft aufbauen? Und offenbar auch noch eine Gesellschaft, in der es sich besonders gut leben lässt?

Interessant!

Und noch etwas: Es ist in Dänemark nicht nur in Ordnung, eine eigene Meinung zu haben. Es ist nicht nur erlaubt und möglich. Es ist erwünscht! Sehr erwünscht sogar! Oder, wie Hans Albers gesagt hätte: Es ist „Otto Otto“! Ein echtes Desiderat! Ein Gut! 

 

Warum? Nun, zum Beispiel sei es hilfreich für die Entwicklung der Gesellschaft. Steht eine Entscheidung an, so trägt jeder mittels seiner individuellen Sichtweise zu einem breiteren Verständnis der betreffenden Thematik bei. Erst durch das vielfältige Nebeneinander gelangt man zu einem Überblick! Umso mehr Sichtweisen, desto feiner das Verständnis, die Kenntnis!

Und wenn jeder etwas beiträgt, ist auch jeder beteiligt. Jä, jä, dasse saffe bestimmt auch eine sööne Bürger-Bewusstsein, jäh, jäh...

 

Wenn verschiedenartige Meinungen nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung angesehen werden, dann dürfte damit doch ein freies und respektvolles Zusammenleben viel einfacher sein. Bedeutet es doch eine Ermutigung, nach seiner ganz eigenen, individuellen Art zu leben, zu denken, zu wirken – und genau damit die Gemeinschaft zu bereichern. Ein Geschenk zu sein. Durch sich selbst.

Klingt vielversprechend. Entspannt. Locker. Besser als die blöde Rechthaberei. Finde ich so.

Denn natürlich gibt es nur einen, der recht hat. Das ist klar. Wer das ist? Ich natürlich. Für mich. In meiner Welt. Jetzt.

Morgen? Keine Ahnung. Muss ich auch nicht wissen. Nicht in meiner Welt.