Tag 6 - Über den Genfer zum Neuchâtel See. Oder: Von Rotzlöffeltum, dem Charme des Kleinen und interessanten Plastik-Antworten

Ein Mittwoch.

Antworten. Manche Menschen mögen sich damit beschäftigen, wer Schuld ist. Wer zu beschuldigen ist. Wer in der Vergangenheit was falsch gemacht hat. Wer zu tadeln ist.

Andere Menschen suchen Antworten. Frisch und fröhlich. Mit jugendlichem Eifer, die Brille der glücklichen Sicht, der Hoffnung tragend. Solche Menschen trifft man in Yverdon-les-Bains.


Yverdon was? Nie gehört? Ja, wiedermal so ein Ort, der da in der Schweizer Landschaft rumliegt und gern Fremde, die des Weges kommen, überrascht. Nicht direkt, sondern so von hinten herum. 

Yverdon-les-Bains erreichen wir am späten Mittag.

 

Morgens waren wir in der Bahn von Zermatt nach Täsch herunter gekommen, hatten uns ins Auto gesetzt, und sind dann noch weiter runter gefahren. Bis wir bei ihm waren. Dem Genfer See. Dem schönen. Dem schönsten. Dem wunderbaren Lac Leman. Und doch konnten wir nur kurz verweilen und sind wieder hoch gesurrt. In seine nördlichen Hügel. Denn dort oben, in Attales und Bossonnens, warteten neugierige Geister auf uns. In zwei Schulen durften wir direkt auf den Pausenhof fahren, kleinen und großen Kindern die Elektros zeigen. Um die Bilder vom und das Erlebnis der Elektros zu bringen. Und auch um zu zeigen, wie banal und leise und sauber die neuen Autos sind.

Ach, wie herrlich, diese Mischung aus Rotzlöffeltum, Schüchternheit und Staunen, die einem bei solchen Schul-Events begegnet! Dieses Authentische, Geradlinige – und Offene!

Bei den Schulbesuchen werden wir gebeten, auch etwas zu den Autos zu erzählen. O là là. Das ischt ein kleines problème. Un petit problème. Oui. Oui. Diese Kinder verstehen mehrheitlich nur französisch. Non, non. Das können wir nischt – also kaum, ziemlich schlecht.

Und dann geht es doch. Mit Lehrern, die übersetzten. Und auch mit Händen und Füßen. Sprache gibt es eben immer. Irgendwie. Wenn man will. Offen ist. Und keine Angst hat, sich zu blamieren.

Nur wer sich herrlich blamieren kann, ist doch wirklich frei!  

Frei, zu tun. Zu probieren. Zu versuchen. Zu spielen. Antworten zu probieren.

 

Dann ging es weiter: Zurück zum Genfer See, dem schönen. Und hinter Lausanne wieder nördlich hoch. Und dort entlang, landet man in Yverdon-les-Bains. In Yverdon-die-Bäder. Im Kanton Vaud.

Es ist warm. Sehr warm. Und Yverdon liegt am Lac de Neuchâtel, am See von Neuenburg. Das Nass ist erfrischend, die Landschaft so ganz anders als am Genfer See. Nicht so beeindruckend massiv. Eher sanft, hügelig. Zurückhaltender. Auch schön.

 

Der Event der Stadt für die WAVE findet am späteren Nachmittag statt. Nahe der Altstadt. Teilnehmend ist die hiesige Hochschule (die „heig-vd“) mit ihrem Institut für Energie und elektrische Systeme. Oder besser gesagt, mit den Mitarbeitern, Studenten dieses Instituts, an dem man forscht. Zu neuen Wege durch den Energieträger Elektrizität, Strom. Was sie konkret machen, kann man über ihre Homepage (https://heig-vd.ch/en/ard/iese) erfahren. Dass sie viel machen und sich damit auch gern neben die große ETH in Zürich stellen und auch einen Platz beanspruchen möchten, kann man von Luc Bossoney, Professor am Institut erfahren. Er ist begeistert von seinen Studenten, seinem Institut und dessen Forschungen. Es war zum Beispiel seine Hochschule, die die Software für die „Planet Solar“ entwickelte, diesen großen Katamaran, der als erste Solar-Schiff um die Welt fuhr und dabei auch den Hamburger Hafen besuchte.

 

Und es ist doch auch so: Nicht die Großen zählen. Nicht die Größe zählt. Sondern jedes einzelne, was passiert – und was somit beiträgt zu dem großen Ganzen, dem Gewusel und Gewirke, der neuen Weise.

Außerdem: Nicht selten ist das Kleine jenes etwas mit mehr Kawumm und Pfiff und Lösungen. Man denke nur an das kleine Weimar im Vergleich mit Berlin anno 1800… Aber ich komme vom Thema ab – und will lieber schnell zurück nach Yverdon-les-Bains. Und in seiner kleinen Altstadt am Denkmal vom Pädagogen Pestalozzi (1746-1827) vorbei gehen. Und in das Zelt gelangen, in dem man für uns ein schönes Essen vorbereitet hat. Liebevoll zubereitet.

Bei dem Essen ist noch etwas bemerkenswert: Das Plastik.

Das Plastikgeschirr hier ist dicker als sonst. Eine Nachfrage ergibt: Das wird nicht weggeworfen. Nein, nein. Das wird wiederverwendet. Jede einzelne Gabel. Jeder Teller. Jedes Löffelchen. Auch jenes, mit dem man diesen köstlichen Nachtisch…. Ich komme schon wieder vom Thema ab.

 

Als wir drei Tage später in Zürich, an der ETH sind, sprechen wir unsere Team-Kollegen vom Team 93 „Yverdon Energies“, Pierre-Alain Kretschy und Philippe Gendret an – auf dieses Nicht-Wegwerf-Plastik. Sie nicken und weisen auf die Aufkleber auf ihren Autos: „ecomanif.ch“. Das sei eben diese Firma, die das Geschirr stellten. Die schicken einem das Geschirr, was man brauche. Und hinterher schicke man ihnen ganz einfach das dreckige Geschirr in der Box zurück. (Fotos)

 

„Phänomental“, finden wir das. Die Yverdoner zucken mit den Schultern, und erklären: In ihrem Kanton kann niemand eine Feierlichkeit mit Wegwerf-Plastik machen. Das sei schlichtweg verboten… Na, prima! Das ist mal eine Ansage für eine direkte, einfache Entlastung der Umwelt. Das ist doch mal eine Antwort.

Warum gibt es das bei uns noch nicht? Also wirklich! Doch, doch Hamburg: Auch Du kannst viel lernen von den Schweizern in Yverdon-die-Bäder!