Kapitel 5. Vom Elsass, Kultivieren und dem je-ne-sais-quoi

Der Regen ist mit uns und bleibt uns auch treu zur Seite, als wir an diesem Dienstag ins Elsass fahren. Die schöne Landschaft westlich vom Rhein versteckt sich hinter Nass und Grau. Aber die kleinen Ortschaften,

die sich entlang den Hängen wie an einer Perlenschnur aufreihen, bestechen selbst bei diesen Verhältnissen mit ihrem Charme.

Das nächste Treffen der Rallye soll im Zentrum der elsässischen Stadt Selestat stattfinden. Auf dem Weg dorthin kann jeder, der mag, zu einem der vielen Weingüter abbiegen. Sechs verschiedene werden vorschlagen. Unser französischer Rallye-„Konkurrent“ Benoît, der selbst aus dem Elsass kommt, erzählt von dem Weingut der Biowinzer Anna und André Durrmann (11, rue des forgerons – Andlau, Tel: 038808 2642) – und das mit viel Verve und Gestik, um das mangelnde Französisch seiner Gesprächspartnerin zu überbrücken.

 

André Durrmann, so Benoît, sei ein Winzer, der als Grundlage den Respekt vor der Natur stellt. Aber Respekt vor der Natur, das bedeute eben nicht, es so zu machen, wie es schon immer gemacht worden sei. Der Durrmann, der forsche nach guten, neuen Wegen. Z.B. pflanze er die Reben in größeren Abständen und dazwischen Bäume. Um zu erkunden, welche Insekten, die auf den Bäumen sind, sich auf welche Art positiv auf die Reben auswirken. Überhaupt würde der Durrmann alles miteinbeziehen: Boden, Luft, Pflanzen, Bäume. Und dann die spezielle culture en lyre, die Leier-Kultur, die er entwickelt habe… Benoît begeistert einen für den Herrn Durrmann. Und er selbst? Welchen elsässischen Wein mag er am liebsten?

Er lächelt verlegen. Naja, Wein trinkt er nicht so gern. Lieber Bier. (Mehr von Benoît: Mariebenoitwave.blogspot.fr)

 

Wir steuern kein Weingut an, sondern im Städtchen Ottrott das Restaurant im gleichnamigen Hotel „L’Ami Fritz“.

Das Elsass changiert seit Jahrhunderten zwischen Frankreich und Deutschland und so trifft man hier oft Menschen, die deutsch sprechen. Der Wirt, Monsieur Fritz gehört dazu. Er weiß zwar noch wenig von Elektroautos, aber laden dürfen wir gern bei ihm. Wenn wir denn wissen, wie das ginge. Bien sûr.

 

Wir parken den Wagen unter den knorrigen Bäumen, vor den Steintreppen, die zur Eingangstür hochführen. Unser Verlängerungskabel reicht bis zu seiner Außen-Gartensteckdose.

Und dann geht’s hinein. Die Mittagszeit ist fast vorbei, wir bestellen ein kleines Menu. Als das Essen kommt, zaudert die Hand, die die Gabel führt. Das Gericht ist ein Gedicht, schon optisch – fast zu schön zum Verzehren. Und dieser Geschmack. Mh. Welch‘ Genuss.

Der Blick geht über die fein gedeckten Tische, die Gemälde an der Wand, die alten Möbel. Wie viel an Aufmerksamkeit hier drinnen steckt. Wieviel Liebe zum Detail.

Essen ist ein Grundbedürfnis. Und man kann es, wie alles, herrlich kultivieren.

 

Kultivieren… Dieses Wort! Man nehme etwas und mache Kultur daraus?

Was bedeutet das?

Hier, an diesem offensichtlich sehr kultivierten Ort in der Grauzone zwischen Deutschland und Frankreich ist ein guter Moment, diese Frage zu umkreisen.

Wenn Monsieur Durrmann an seinen Reben forscht, wenn Monsieur Fritz dieses Essen zaubert, dann gehört dazu: Passion.

Was ist Passion? Doch nichts anderes als großes, intensives Interesse, gepaart mit dem Willen, diesem Interesse exzessiv, mit viel Energie, Aufmerksamkeit, ja Liebe zu frönen.

Gutes Essen ist nie und nimmer bloß funktional. Das schmeckt sogar die Zunge eines Gourmands (Vielfraß). Gutes Essen ist viel Wissen und das gewisse Etwas. Dieses je-ne-sais-quoi.

In der Naturwissenschaft ist es genau dasselbe Element, das große Entdeckungen möglich machte. Ob bei Faraday, Einstein oder Ampère – immer bildete dieses Element das Zentrum, die entscheidende Motivation.

Und steckt nicht eben dies auch hinter den vielen Bemühungen, die nötige Technologie für die Energiewende und den Naturerhalt zu schaffen und einzusetzen? Die Dinge der hochspezialisierten Ingenieurswelt fordern es geradezu, denn sie müssen miteinander verbunden, aufeinander abgestimmt, vernetzt werden.

Dafür braucht es Können, Verständnis, Fingerspitzengefühl – und eine gute Portion Passion. Dann kommt man zu Ergebnissen. Zu Innovationen, neuen Wegen. Das ist es, was wir auch bei STIEBEL ELTRON sehen, wenn sie Techniken (Wärmepumpen) für saubere, CO2-freie Heizungen entwickeln. Und das ist, was wir bei all jenen sehen, die versuchen, auch die Autowelt in die neuen, nämlich CO2-freien, guten Bahnen zu transferieren. Diese Passion.

 

Natürlich möchte auch Monsieur Fritz lieber ein Elektroauto fahren. Und natürlich denkt auch er irrigerweise, er bräuchte eine spezielle Elektrizität, die an einer Ladesäule geliefert würde, die es aber in seinem Ort, in Ottrott, nicht gäbe. Natürlich weiß auch er nicht, dass er all seine Fahrten im Umkreis und nach Straßbourg ohne Probleme mit elektrischen Autos der heutigen Generation machen könnte.

Auch Monsieur Fritz gehen jetzt, durch die Gespräche, die Augen auf, was möglich ist – und er reflektiert auf die anderen Bereiche des Umwelt- und Naturschutzes. Zu denen auch gehört, dass er vor allem regionale Produkte verwende.

Nach einer guten halben Stunde tauchen auch unsere Rallye-„Konkurrenten“ Nick und Sven auf. Der Tag endet schließlich in der Schweiz, kurz hinter Basel, in Pratteln.

In der dortigen Badelandschaft gibt es Erholung vom vielen Rumsitzen im Auto. Man schwimmt ein wenig, lässt die Glieder schweben. Schließlich gehen wir die Treppen hoch, setzen uns höchst kultiviert und distinguiert hin - und: In riesigen, gewundenen Rutschen hinab ins Nass – mit archaischem Geschrei! 

Bei "L'ami Fritz" in Ottrott. Der Chef, Monsieur Fritz, ist ein interessierter Patron und unterhält sich gern mit seinen Gästen. Hier mit Nick vom Team "Sager & Deus". (oben)

Unten: Was so auf den Mittagstisch im Elsass kommt.


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