Teil 7 - Vom Deutschen an uns Hamburgern

 

Und dann ist da doch etwas sehr deutsches an uns Hamburgern. Etwas, womit wir in der Schweiz wie auch in Dänemark oder Groß-Britannien sofort auffallen und als Deutsche sichtbar werden. Etwas, womit jede Art von Deckung sogleich auffliegt...


Wenn uns etwas nicht gefällt, wenn uns etwas sehr stört, dann geben wir das bekannt. Auch gern deutlich. „Nee, nee, nee, nee, nee, nee“, sagen wir dann. Oder: „So nu nich, nä!“ – wobei wir das „so“ lang ziehen und es in die Höhe treiben, so dass es schließlich wie ein „soo-uh“ klingt. „Soo-uh nu nich, nä“.

 

Schweizer und Dänen sind da zurückhaltender. Wenn einen Dänen etwas sehr stört an einer anderen Person, dann verdreht er vielleicht die Augen. Ansonsten denkt er sich seinen Teil und beruhigt sich mit einem Gedanken wie „Gott hört mein Brummen“.

Auch Briten verbleiben zumeist in einer gewissen distinguierten Distanz. Obwohl sie schon eher etwas bemerken würden, wenn sie etwas stört. Nur tun sie das üblicherweise mit einer lieblichen Frage oder einem seichten Hinweis. In London kann ein Bus schonmal über lange Zeit eine komplett falsche Strecke fahren, bevor sich einer der zahlreichen Fahrgäste überwindet und den Busfahrer höflich fragt, ob es denn vielleicht so sei, dass man möglicherweise den Eindruck erhalten könne, dass dieser Bus eine scheinbar andere Strecke als sonst genommen hätte…

Bei uns dagegen? Wir drücken uns frontal, direkt aus. Klare Ansage. Keine dezenten Andeutungen, kein höfliches Hüsteln, keine das Gesicht wahrenden Umschreibungen, kein Sprechen mittels Konditional-Formen.

Wir sagen, was wir denken. Wir sagen, wenn uns etwas stört. Und auch, was das ist.

 

Das wiederum verbindet uns mit dem Rest der deutschen Nation. Wir Deutschen gelten nicht umsonst in Europa als Trampeltiere, als Elefanten im Porzellanladen.

Andererseits ist dieses klare Benennen auch von großem Vorteil. Schafft es doch eine Kultur des Hinsehens, des sprachlichen Austausches. Man weiß, woran man ist – und braucht sich nicht im Lesen von Gedanken, verschachtelten Andeutungen und gestischen Hinweisen zu üben.

Doch, doch! Wenn es um das expressive Element im menschlichen Miteinander geht, so sind wir Hamburger eher bei den Deutschen.

Die passiv anmutende Zurückhaltung der Dänen, das Fremdeln gegenüber dem Andersartigen der Schweizer ist uns nicht in den Hafen, also nicht in die Wiege gelegt. Glücklicherweise nicht. Hamburger halten auch gern einen Klön, auch und gerade mit Fremden, mit dem Mann aus Timbuktu oder der Frau aus Appenzell – wenn man etwas mit ihnen anfangen kann. Zum Beispiel, wenn die was zu erzählen haben. Oder wenn man Geschäfte zusammen machen kann.

 

Andererseits ist uns Hamburgern natürlich auch die nordische Zurückhaltung eigen - nur eben in Kombination mit einer gehörigen Portion kindlicher Neugierde an allem Neuen, Andersartigen, noch-Fremden. Hamburger sind sich selbst eben nicht genug. Wir mögen das Bunte, das Klingende, Schillernde, Andersartige. Jürgen Flimm, langjähriger Intendant des Thalia-Theaters, bezeichnet die Hamburger als erstaunlich vergnügungssüchtige Menschen.

 

Und so ist unser kühle, nordische Mantel der Distanzwahrung auch etwas, mit dem wir uns und unsere Neugierde im Zaum halten. Um das Gegenüber nicht zu überrennen, ihm seinen Raum zu lassen.

Als Hamburger versucht man die Contenance zu bewahren. Neben dem Hamburger kann am Bartresen eine Gruppe schillernder, bunter, reich beschmückter Berliner Transvestiten treten, flotte Sprüche, dreckige Witze reißen – der Hamburger wird so tun, als ob da weitere Anzugträger stehen, die vom Wetter reden. Obwohl er innerlich darauf brennt, diese bunten Vögel genauer zu betrachten und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Aber das wollen die ja womöglich nicht. Weiß man es? Also hält man sich zurück. Erst einmal...