Teil 3 - Von Identitäts-Krisen

Als Hamburger kommt man desöfteren in Identitätskrisen. Man ist per Nationalität Deutscher – findet das aber in so gewissen Momenten ganz unpassend und weiß dann nicht mehr so recht, wo man eigentlich hingehört und wer man eigentlich so ist, außer dass man Hamburger ist.


 Der Begriff „Identität“ kommt vom lateinischen „identitas“ – „Wesenseinheit“, und bedeutet, laut  Duden, „völlige Übereinstimmung mit jemandem“, „Gleichheit“.

Wenn wir als Hamburger also eine deutsche Identität haben, dann haben wir mit allen Deutschen auch eine „völlige Übereinstimmung“. Wir bilden mit ihnen eine „Wesenseinheit“. Eine gemeinsame. Und das ist nicht immer leicht für uns.

 

Das beginnt schon in solchen Momenten, wo wir die Inhalte von Kölner Karnevalssitzungen hören oder zum ersten Mal zur „Dult“ in einem echten bayrischen Bierzelt stehen. „Ja“, sagen wir dann und kratzen uns verlegen das Köpfchen. Sehr wenig bis gar nichts können wir damit anfangen. Fremd erscheint uns das. Nicht falsch, nicht richtig. Nur eben so ganz anders als wir und unsere Kultur.

 

Dann aber verbuchen wir das unter „Vielfalt“, genauso wie die Berliner Schnauze oder die Weinbauern-Kultur an Rhein, Main, Mosel. Und sagen uns: Deutschland, das ist eben eine 80-Millionen-starke Wesenseinheit, innerhalb der es auch viele Varianten, Unterschiedlichkeiten gibt. Und diese Vielfalt an Kulturen, Landschaften, Ansätzen kann man doch auch begrüßen. Sie ist doch bereichernd.

 

Ja, so etwas sagt man sich so als Hamburger, als Norddeutscher. Und das geht dann ganz gut so.

 

Bis auf solche Situationen, wo es nicht mehr einfach nur anders ist, sondern abstoßend anders. Situationen mit Eliten-Gerede zum Beispiel, oder mit viel Protzerei, Untertan-tum und Autoritätsgehabe. So etwas ist nicht einfach für uns Hamburger.

 

Unerträglich wird es mit der deutsche Identität aber, wenn das deutsch-nationale Gebaren auftaucht. Wenn ein „Vaterländisches“ Getue bemüht wird, wo „Deutschland“ und das „Deutsche“ als hart und bullig und dem Fremden feindlich gegenüberstehend verstanden wird. Wo man sich selbstherrlich aufplustert und eine Kluft aufmachen will, zwischen uns, den Deutschen, und den anderen, den "Nicht-Deutschen". Kurzum: Wo sich deutsch-tümelnden Geister formieren, denen ihr Minderwertigkeitskomplex das Herz zerfrisst.

 

Da bekommt man als Hamburger das Grauen und möchte nur weg. Weit weg. Da möchte man lieber jenseits des Deutschen sein. Und, schwupp, greift man nach einer anderen Identität. Die des Norddeutschen zum Beispiel. Die der Europäerin. Oder des Kosmopoliten. Weltkind, das geht immer, denn als Weltkind bildet man automatisch auch mit den netten Jungs und Mädels in Südafrika, Thailand, Argentinien usw. eine Familie. Das beruhigt. 

 

Dass es auch in Südafrika und Thailand und Argentinien viele Spannungen, Idiotien, Probleme gibt, ist klar. Aber für die sind wir ja nicht zuständig.

Wir sind zuständig für unsere Spannungen, Idiotien, Probleme. Also doch auch für die in Deutschland? Oder sind wir als Hamburger nicht viel eher andere Wesen, gehören gar nicht dazu, zum Deutschen?

 

Wer sind wir als Hamburger? Wofür stehen wir? Wo stehen wir? Wo ist unser Zuständigkeitsbereich und wo endet der?