Tag 4 - Moritz, Bernhard, Locarno: Von Deutschland und dem Blick in schöne Schluchten

In St. Moritz nehmen wir einen Fahrgast auf. Patrick Calzi, Journalist aus Luxemburg (siehe Foto). Er fährt mit uns den ersten Teil unserer heutigen Strecke. Von Moritz hoch nach Thusis. Über den Julier Pass.

Calzi, ein ruhiger Mann mit grauem Bart, war früher Chefredakteur.(Fotos anklicken: Für Subtexte und bessere Ansichten!)


Chefredakteur jenes Magazins, das der Luxemburger Automobilclub herausgibt. Mittlerweile arbeitet er freiberuflich, auch für sie.

Während Calzi von uns alles über die Besonderheiten des Teslas erfährt, quetschen wir ihn aus über die Situation und das Denken in Luxemburg.

Das erste, was wir erfahren, ist: Die Luxemburger blicken sehr gespannt auf Deutschland und schauen. Wie wir es so machen, mit der Energiewende. Wie wir das so anpacken und umstrukturieren. „Ihr seid ja so viel weiter“, meint Calzi. „Wir hängen wirklich hinterher.“ In den Energiefragen sei man abhängig von Frankreich und Deutschland. Und überhaupt sei Luxemburg recht konservativ. Und eben auch, was die Elektros anginge. „Da sind viele alte Männer“, meint Calzi und meint damit jene, die am Ruder sind, die bestimmen. „Und es gibt da eine starke Kultur der Rennfahrer“. 

Aber, so Calzi, der Wandel komme. Man habe angepeilt, in Luxemburg 700 Ladestationen zu installieren. „Die Jungen wollen das Elektrische. Die jüngere Generation ist sehr aufgeschlossen. Die machen auch viel später einen Führerschein. Und auch das Car Sharing wird mehr bei uns.“

 

Calzi hat bereits hier und da in Elektros gesessen. Aber erst jetzt scheint ihm deutlich zu werden, wie einfach das alles ist. Mit dem Laden und Fahren. Wie banal einfach.

„Zur Zeit“, so Calzi, „denken bei uns die meisten: Elektro-Autos sind etwas für die Elite“. Und man frage sich eben: Wie rechnet sich das?

 

Ja, wie rechnet sich das? Eine Rechnung bzgl. des Verbrauchs hatten wir HIER aufgestellt. Ansonsten ist es wie immer beim Autokauf: Erstens komplex und zweitens individuell. Welches Auto will man und was damit machen? Klein oder groß? Viele Langstrecken oder doch eher Stadt? Etc. pp.

Und dann ist es auch die Frage, wie man rechnet. Rechnet man mit der längerfristigen Zukunft, so ist gut, zu berücksichtigen: Diesel und Benziner werden sich immer schlechter wiederverkaufen lassen, Elektros immer besser.

Und es lohnt, mit der längerfristigen Zukunft zu rechnen. Denn wir sind im Umbruch! Und wir in Deutschland sind irgendwie Vorreiter und auch Hoffnungsträger.

Das merkt man nicht so sehr innerhalb von Deutschland. Aber sehr stark, wenn man im Ausland ist. Und Ausländer hört. In der aktuellen Ausgabe der "Bunten", die irgendwo in unserem Tesla mitfährt, sagt Richard Gere angesichts seines Präsidenten Trump: "Jetzt blicken wir auf Deutschland als Anker der Stabilität. Euer Land hat sich zum stabilen, fortschrittlichen und moralischen Zentrum der Welt entwickelt."

Hui! Welch' Worte!

Auch viele Schweizer sagen uns ähnliches, wenn auch vor allem in Bezug auf die Energiewende. Kein Wunder. Hat sich die Schweiz doch gerade erst entschlossen, sich auch auf den Weg zu machen. Natürlich durch einen Volksentscheid, der im Mai 2017 für das Aus der Atomenergie entschied.

 

Dabei sind andere Länder doch in vielem schon so viel weiter als Deutschland, möchte man einwerfen. So ist doch die Schweizer Ladestruktur für Elektros so viel besser. Und in Dänemark hat man bereits verboten, neue Heizungsanlagen mit Gas oder Öl auszustatten. Aber eben: Deutschland ist viel größer. Als Volkswirtschaft und als Industriestandort. Wenn wir es in Deutschland schaffen, so wird gedacht, dann können es alle. Und was wir schaffen und umsetzen, wie wir umstrukturieren und umbauen, das zeigt neue Wege und Möglichkeiten. Auch wirtschaftliche. Gerade auch wirtschaftliche. (Siehe dazu Tag 5)

 

Gegen Mittag landen wir – mit Patrick Calzi auf dem Beifahrersitz – in Thusis (siehe Fotos). Thusis ist eine kleinen Graubündner Gemeinde mit noch nicht einmal 3000 Einwohnern und dem Sitz der Zeitung der Region. „Pöschtli“ heißt die. Welch' Name... 

 

Wir lassen „unseren Journalisten“ aussteigen. Damit er im nächsten Auto mitfahren kann. Dem neuen Elektro-Opel Ampera.

Doch zuvor sind wir eben in Thusis, das viel für uns Rallye-Teilnehmer organisiert hat. So bekommen wir ein Mittagessen (siehe Fotos) in Form einer kulinarischen Spezialität besonderer Art: Wir werden vom Schweizer Militär bekocht. Genauer: Von dessen Koch-Lehrlingen, die heute das erste Mal rangelassen werden. An das Bekochen von hungrigen Mäulern. Wir sind also Versuchskaninchen…

Der Versuch gelingt. Es ist wirklich ungemein lecker. Merci vielmals.

 

Und dann hat die Gemeinde Thusis eine kleine Extra-Tour organisiert. In kleineren Gruppen werden wir mit dem Bus zur Viamala herunter gefahren. Einem Naturspektakel in Form einer immens tiefen Schlucht. „Viamala“ heißt schlechter Weg – und anhand der an den Felsen gemalten Figuren (siehe Foto) kann man leicht nachvollziehen, woher der Name kommt. Viele, viele krachten im Laufe der Jahrhunderte herunter bevor man – dem Erfindergeist sei Dank – tragfähige Brücken baute.


Dem Erfindergeist sei Dank: Entlang unserer weiteren Reise kommen wir schließlich zum San Bernardino Pass (siehe Fotos). Von dort geht es herunter in den Ort San Bernardino. Und zwar nicht im Tesla, sondern – nach einem Kurzzeit-Beifahrer-Tausch – im Porsche Cabrio 356. Natürlich elektrisch. Das schöne Stück ist umgebaut und surrt daher ganz leise vom Pass herunter. Gelenkt vom netten Edgar (siehe Fotos). Zu ihm, seiner Firma und dem Porsche gibt es viel interessantes. Dazu später mehr. Denn jetzt, in diesem Moment, ist alles Denken, Reflektieren, Zusammenfassen unmöglich. Die Sonne scheint vom blauen Himmel mit schönsten Wolken, der Fahrtwind kühlt und die Aussicht auf das Tal ist unbeschreiblich. Nicht mehr mit Worten zu fassen.


Gelandet wird unten. Zuerst in Bellinzona. Schließlich, nach einem kurzen Ladeaufenthalt an einer TESLA-Station, in Locarno am Lago Maggiore (siehe Fotos).

Hier sind auch unsere Schweizer Teamkollegen ein wenig Ausländer. Denn hier ist ja italienische Schweiz. Mit Italienisch als Hauptsprache, italienischer Luft und italienischer Ambiente. Wir parkieren auf der Piazza Grande. Die Altstadt-Kulisse korrespondiert wunderbar mit den neuartigen Mobilen. Und unsere Hamburger Identität wunderbar mit dem See. So wunderbar, dass wir zu einer jener Fragen kommen, die man lieber nicht ankratzt. Aber hier kann man sie nicht mehr unterdrücken. Und so: Warum, um Himmels Willen, lebt man in Norddeutschland? Wenn es doch solche Orte gibt, wie hier, am Lago Maggiore? Spontan beschließen wir, mindestens drei Monate zu bleiben, um das heraus zu finden.