Es ist nicht gerade so, dass die Schweiz um die Ecke von Hamburg liegt. Über 800 Kilometer braucht es, um in das Land der Eidgenossen hineinfahren zu können.
Und wie anders als Norddeutschland dieses Fleckchen Erde doch ist. Was für Berge - dafür kein Meer. Dann diese Sprache! Schon der Unterschied zwischen „Moin Moin“ einerseits und „Grüezi“ andererseits macht das deutlich.
Hier schön breit und ruhig, dort eher spitz, kurz und jede Menge „-i“s. Chuchekäschtli statt Küchenkasten. Ade statt Tschüss. Rübli statt Wurzel. Und „ein büsch‘n“ ist „a bizzli“ – auch wenn das nicht gerade für die Talerchen gilt, die man hier entlang des Weges so ausgibt. 3 Fränkli und 50 Rappen für das, was man in Hamburg eine Heißwecke nennt, sind eben nicht 80 Cent, sondern einiges über 3 Euro. „Sportlich, sportlich“, möchte man da hüstelnd bemerken.
Doch die Unterschiede zwischen Schweizern und Hamburger können durchaus als nur oberflächlich angesehen werden, wie wir bald erfahren.
Wir sind als eines von zwei Hamburger Teams einer Rallye von Elektrofahrzeugen, die vom Start auf dem Campus der berühmten Universität ETH Zürich acht Tage lang durch die Schweiz führt.
Da trifft man viele Leute. Auf der Rallye selbst – und entlang des Weges. Alt und jung. Klein und groß. Dick und dünn. Und fast alle sind Schweizer.
Schweizer sind zurückhaltende Wesen, das lernt man schnell in der Schweiz. „Jubelnder Schweizer“ wirkt wie ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Euphorie und Schweiztum scheinen sich gegenseitig auszuschließen.
Man ist hier verhalten. Man benimmt sich. Man ist ruhig.
Aber dann gibt es etwas, das das Schweizer Herz so bewegt, dass es spontan ein Glitzern in die Augen zaubert und die Stimme merklich in Wallung bringt.
Dieses Etwas ist das Wort „Hamburg“.
Wo wir hinkommen, in der Deutsch-Schweiz, wen wir ansprechen, was wir auch möchten – wenn wir sagen, wo wir herkommen, gehen die Türen auf. Und das schier unmögliche passiert: Die Schweizer kriegen das Schwärmen
Die verschiedenen Hamburg-Prospekte, die uns „Hamburg Tourismus“ mitgab, brauchen wir nicht verteilen. Wir fragen die Schweizer nur, ob sie Interesse hätten – und schon sind sie weg.
Hamburg – diese Stadt sei schön. Diese Stadt, da sind die Menschen offen. Diese Stadt, da sei es so lebendig. Und der Hafen…
Einer unser Rallye-Kollegen, Edy Künzli aus Alpnach im Kanton Obwalden, war schon etliche Male da, in Hamburg. Erzählt er, während wir auf einem Ausflug zur Viamala im Bus zurück nach Thusis fahren – und hin und her geschüttelt werden. Edy berichtet begeistert (ja, er ist Schweizer), dass es in Hamburg so leicht sei, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. In Hamburg entstünde aus einer kleinen Bemerkung ganz einfach ein lockerer menschlicher Austausch. Ohne Probleme. Das habe er immer und immer wieder erlebt. In der Schweiz dagegen sei man an vielen Orten so „a bissi bünzli“. Ein bisschen was? „Na, so bünzliii…“ Was ist das? „Kleinkariert“ werde ich aufgeklärt. Bünzli ist kleinkariert.
Dank für die Blumen, möchte man Edy und den anderen Schweizern sagen. Aber seien wir ehrlich: Hamburg ist wirklich nicht die europäische Hauptstadt der Lebendigkeit, des lockeren Miteinanders, der spontanen Offenheit. Köln, Berlin, München schlagen uns um Längen. Diesbezüglich.
Es muss da noch eine andere Komponente sein, welche die Schweizer so für Hamburg einnimmt.
Das Fremde, so fand man heraus, ist für uns Menschen dann besonders anziehend, wenn es nicht ganz und gar fremd ist. Das Fremde empfinden wir dann als besonders interessant und positiv, wenn es neben dem Andersartigen auch etwas hat, was uns ähnelt, gleicht, gemeinsam ist.
Und genau diese Kombination bietet Hamburg den Schweizern. Und die Schweiz den Hamburgern.
Wir sind sehr anders und uns doch in vieler Hinsicht sehr ähnlich.
Das Hamburger „Kein Herr über mir, kein Knecht unter mir“ gilt ebenso in der Schweiz, deren Gründung mit dem Mythos vom Rütli-Schwur (anno 1291) hundert Jahre nach der des Hamburger Hafens (1189) liegt (gut, viele andere Städte entstanden zur selben Zeit).
Man ist hier in der Schweiz sehr kaufmännisch und dazu so durch und durch bürgerlich, dass man niemals auf die Idee kam oder käme, viele Gelder für Pomp und Gloria auszugeben. Schlösser à la Versailles, Sanssouci, Neuschwanstein? Fehlanzeige. Undenkbar.
Großmann-Sucht ist in Hamburg ein Schimpfwort, und wäre auch eines in der Schweiz, wenn die Schweizer nicht stets dermaßen ruhig zurückhaltend wären, dass man ihnen Schimpfwörter gar nicht zutraut. Oder finden Sie etwa, dass „Gopf-fried-stutz“ wie ein Schimpfwort klingt?
Da sei genauso, mit der Verwandtschaft von Hamburg und der Schweiz, sagt Martin Sturzenegger. „Es wird zwar oft gesagt, dass Zürich und München ähnliche Städte sind. Aber das stimmt nicht. Hamburg und Zürich sind sich viel ähnlicher. Auch in dem, was die Aktivitäten zur Umweltschonung angeht.“ Martin muss es wissen. Der Mann ist Tourismusdirektor der Stadt Zürich.
Und dann ist da doch etwas, mit dem die lieben Eidgenossen uuns weit voraus sind - und was ihre Lebensqualität um einiges besser macht als unsere. Und dieses etwas hat nichts mit Fränkli, Taler, Goldstücken zu tun....