Kapitel 6. Von Teslas, Schweizer Bürgerdenken und Rechenkünsten.

Rund 100 Jahre nach Gründung des Hamburger Hafens kam es auf einer Bergwiese am

Vierwaldstättersee zum berühmten Rüetli-Schwur. 1291 soll es gewesen sein, als die Gründungsmythos-Geschichte geschah, indem sich die Selbstbestimmung der Schweizer Bürger formierte.

Schweizer zu sein bedeutet, sich zu definieren als Bürger. Und nicht als Untertan.

Bürger sehen sich als tätige Mit-Gestalter ihrer Welt. Untertanen als Opfer.

Und was tun die Schweizer Bürger?

Sie fahren Tesla.

 

„Die Deutschen können wohl nicht rechnen“, sagt einer unserer zahlreichen Schweizer „Konkurrenten“ bei der Rallye. Erich Camenisch kommt aus Basel und ist sehr informiert, was das Thema „Elektromobilität“ angeht.

Wenn Erich meint, die Deutschen könnten nicht rechnen, dann denkt er schon mal an die Benzin-Ersparnisse, die man als Fahrer eines Teslas so anhäuft.

 

Der BMWi3 kostet in der Schweiz um die 45.000, in Vollausstattung um die 65.000 Euro.

Die jetzigen Teslas dagegen kosten 80.000 Euro - aufwärts. Kein Pappenstil.

Ihre Vorteile für die finanzbewussten Schweizer:  

1.) Teslas haben eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern mit einer Ladung, 

2.) Sie fahren voll und ganz und komplett elektrisch, und 3.) die Ladungen an den von der Firma Tesla installierten Ladesäulen sind bis zum Ende aller Tage des jeweiligen Autos frei. Inklusive. Umsonst. Bezahlt. For ever.

 

Nun könnte man (gerade wenn man unsere Berichte der vorherigen Tage gelesen hat), gewitzt darauf hinweisen, wie schwierig es ist, eine passende Ladesäule zu finden.

Nicht bei Tesla. Für diese Autos gibt es in ganz Europa entlang den Autobahnen, reichlich, schnell und direkt zugängliche Ladesäulen. Schnell-Ladesäulen, versteht sich.

Und dann ist da noch ein vierter Punkt: All die großen Benzinschlucker, ob Limousine, Sportwagen oder SUV, sind kleine Schlaffis gegenüber Tesla. Elektrische Autos sind einfach schneller, spritziger – potenter.

Yeah!

Präsentation der Elektro-Autos in den Schulen. Auch bei den kleinen Schweizern kommen die Teslas gut an. Vorn im Bild: Ein Audi.

Ähnlich wie in der Schweiz sieht es in anderen Ländern aus. In Schweden zum Beispiel oder in Kanada. In Amsterdam fahren sogar Taxifahrer mit Teslas - weil es eben so ungemein ökonomisch ist.

Tesla, dieses US-amerikanische Unternehmen realisiert die Träume der einen – und die Albträume der anderen.

Man kann sich gut vorstellen, wie wenig sich die europäischen Automobilhersteller zuerst vor dem rein elektrischen Tesla gefürchtet hatten. Wie sie meinten, der Tesla würde schon durch die schlechte Lade-Infrastruktur in Europa gebremst werden. Sicherlich hatten sie nicht realisiert, dass Tesla kurzum ein eigenes Netz aufbauen würde. Die Lösung des Problems einfach mitlieferte.

Da haben sie den Salat. Und den neuen, starken Konkurrenten dazu. Abermillionen an Dollars, Euros, Schweizer Franken gingen und gehen ihn flöten.

Tja…

 

Wir können mit unserem BMWi3 an Teslas Schnell-Ladesäulen nicht auftanken. Die Stecker sind nicht kompatibel.

Und so geht die Suche nach geeigneten Ladesäulen (schnell ladend) nun auf eidgenössischem Territorium weiter. Am diesem ersten Tag in der Schweiz besuchen wir zuerst ein paar Schulen in Liestal und Umgebung, wo wir unsere Autos zeigen und erläutern. Im Anschluss geht es nach Choindez, in die Fabrik von „VR“, einem hiesigen Hersteller von elektrischen Zweirädern. Und von dort, wohl genährt mit veganer Kost, zu einer Rallye durch einen Teil des Jura bis zum Endpunkt in Biel.

Dafür müssen wir definitiv gut geladen haben.

 

Auf dem Weg nach Choindez werden wir durch den Ort Langenthal kommen. Und dort hat es einen BMW-Händler.

Wieder ein Versuch bei einem BMW-Händler? Hatten wir nicht bereits genügend abschreckende Erfahrungen in Deutschland gesammelt?

Naja, die Hoffnung...

 

Also ein Anruf beim BMW in Langenthal. 

„Laden? Wann? Wie lange? Kommen Sie gern.“

Unkompliziert klingt das. Und in der Tat: Wir kriegen einen Typ-2-Stecker (mittelschnelles Laden), einen Kaffee und Simon Marc Widmer. Er ist hier Verkaufsberater. Tiefenentspannt. Humorig. Offen.

Er sitzt mit seinem Büro in einem Container, denn sein BMW-Haus wird gerade umgebaut. Es bekommt Photovoltaik-Anlagen oben drauf und unten Schnell-Ladestationen. Umsonst. 24 Stunden zugänglich. Jeder, auch Teslas werden hier laden können.

„Das zieht Kunden auch an“, meint Simon. Wer pausiert, schaut auch gern mal herum.

Sein Autohaus verkauft zwar i3, das Interesse der Kunden aber hätte nachgelassen. Nun, mit der Ankündigung einer neuen i3-Version mit einer Reichweite von über 250 km kehre es wieder.

Simon Widmer merkt: „E-Autos sind ein Thema.“ Und:  „Es ist die Einstellung des Kunden. Er möchte nicht mehr mit fossilen Energien fahren.“

Auch Firmen erwerben einen i3. Der steht dann vor der Tür, um zu zeigen, dass die Firma ökologisch ist.

 

Freundlicher und hilfsbereiter Schweizer: Simon Widmer von BMW in Langenthal lädt den i3 zum Laden ein. 

Simon mit seiner Offenheit ist für uns kein Einzelfall. BMW in der Schweiz – das ist anders als in Deutschland. Wo wir auch anrufen, ist man auf Zack. Es gibt fast immer kostenlose Schnell-Lade-Möglichkeiten, durchgehend, sieben Tage die Woche zugänglich. Man fühlt sich willkommen. So ergeht es uns auf der ganzen Strecke. In Vevey am Genfer See, in Biel – und bei BMW Marti in Bern.

 

Dort hilft uns René Gygli die Schnell-Ladesäule in Gang zu setzen. Denn auch hier wird gerade umgebaut.

Gygli ist, wie Widmer in Langenthal, Verkaufsberater. Aber er ist eine andere Generation. Für Simon Widmer scheinen die kommenden Entwicklungen eine gewisse Selbstverständlichkeit, Natürlichkeit zu haben. Herrn Gygli dagegen scheinen sie tiefer zu berühren, zu irritieren. Oder aber er ist sich den kommenden Neuerungen einfach bewusster.

Auf der einen Seite des großen Verkaufsraumes wird noch gewerkelt. Wir sitzen jenseits einer Bauplane auf Sofas im fertigen Bereich, umgeben von blitzeblanken großen BMWs aller Benzin-Kategorien. Und reden über E-Autos. Herr Gygli ist nachdenklich. „In 10 Jahren, wissen Sie, in 10 Jahren werden hier nicht mehr solche Wagen stehen. Die sind viel zu schwer, viel zu verschwenderisch in den Rohstoffen.“ Er schaut, als ob er das selber noch nicht recht fassen kann. „Das wird sich alles ändern“, sagt er, nimmt einen der Plastiklöffel aus der Dose, zeigt ihn demonstrativ. „Und so etwas wird es auch nicht mehr geben. Dass wir das alles weg schmeißen. Das geht nicht mehr.“

Herr Gygli wünscht sich auch für die Schweiz einen finanziellen Anreiz seitens des Staates, wie es nun in Deutschland geschieht. In den Ländern, wo die E-Mobilität durch Prämien subventioniert wird – in den Niederlanden, den skandinavischen Ländern – da gehe es ab. Viele, sehr viele elektrische Autos würden da verkauft. In der Schweiz aber tun sich die Leute schwer.

 

Herr Gygli erzählt uns, dass die BMW-Zentrale in München Zukunftsforscher für Vorträge in die Filialen  schickt. Um die Leute vor Ort zu informieren. Darüber, dass und wie sich die Dinge ändern werden.

Deren Aussagen scheinen Herrn Gygli aufgeweckt, berührt zu haben.

Er spricht von Hybrid-Fahrzeugen als Brückentechnologie, der Vorliebe der Schweizer für den Tesla und die vielen Herausforderungen der Zukunft.

Er möchte unterstreichen, dass BMW eine der wenigen Autofirmen ist, die Nachhaltigkeit in ihrem Konzept habe. So sei der i3 zu 97% recycelbar. Das Karbon mache die Autos leichter. Und was leicht ist, verbraucht weniger Energie. Und das Leipziger Werk z.B. würde durch seine vier Windkrafträder mit so viel Strom versorgt werden, dass sie neben dem eigenen Bedarf auch noch das Porsche-Werk neben ihnen beliefern könnten. Und, und, und. Er kann viele Belege nennen.

Auch beim eigenen BMW-Haus hier in Bern würde man nun einiges tun. Durch den Neubau mit PV-Anlage und Luftkollektoren werde 80% an Öl eingespart. Man hätte den Rest auch gern mit Wärmepumpen statt weiterhin mit Öl versorgt. „Aber das ist bei diesem großen Gebäude nicht möglich gewesen.“ Womit Herr Gygli irrt (denn Wärmepumpen versorgen sogar Einkaufszentren. Dagegen ist eine BMW-Niederlassung niedlich).

 

Herr Gygli (links) von BMW in Bern reflektiert über die neuen Dinge, die jetzt auf uns zukommen. Nicht nur sein Autohaus ist im Umbau begriffen.

 

Vielleicht schätzt Herr Gygli die Bereitschaft der Schweizer für E-Fahrzeuge noch zu vorsichtig ein. Unser Rallye-Kollege Erich ist überzeugt, fast alle Schweizer werden bei der nächsten Neuanschaffung ein E-Automobil erwählen. Über 300.000 Fahrzeuge sind in der Schweiz angemeldet (sagt Herr Gygli), jedes Jahr werden 10 Prozent davon erneuert. Rund 30.000 neue E-Autos pro Jahr - das wären schöne Zahlen.

 

An diesem Abend übernachten wir im Hotel des BASPO, des Bundesamts für Sport. Hoch oben in Magglingen, am Berghang. Mit einem atemberaubenden Blick über die Schweiz. Unten Biel, der Bieler See. Im Hintergrund die Alpenkette.

Man kann sich nicht satt sehen und möchte ewig nur schauen, schauen, schauen. Damit es am nächsten Morgen doch mit der Rallye weitergehen kann, wird uns etwas vor die berückende Aussicht geschoben. Genau: Regen, Regen, Regen.  

Der Blick aus unserem Hotelzimmer in Magglingen wird auch für regionale Werbezwecke genutzt.

Unterwegs im Jura. Bei dem Öko-Bauernhof von Bertrand Wütrich mit viel PV-Fläche in Courtetelle. Der massive Tisch in der Mitte ist ein PV-Tisch und produziert auch Strom. Entwickelt wurde er in einem Nachbardorf.

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