Kapitel 4. Schnell-Lade-Möglichkeiten in Deutschland anno 2016. Ein zusammenfassender Bericht.

Rallye ist anstrengend, aber interessant. Man lernt viele interessante Leute und jede Menge neue Typen kennen:

Typen von Ladesäulen (fürs Velo, kleines Angebot, großes Angebot), Typen mit verschiedenen Steckern (Haushaltssteckdose, A2, CEE, Combo2, Cham, Tesla), Typen mit verschiedenen Ladestärken (2,7 kWh, 11 oder 22 kwh. Oder auch unsere geliebte 50 kWh mit Gleichstrom für die Schnell-Ladung).

Und das alles an verschiedenen Orten. Und welch lyrische Orte dies sind: Tankstellen. Einkaufszentren. Rasthöfe. Autohäuser. Gewerbegebiete.

 

Dabei könnte man mitten in der Stadt, auf dem Marktplatz, ja neben einem Bio-Ökogemüse-Stand tanken – wenn denn dort eine Schnell-Ladesäule wäre.

Selbst Rauchen oder mit dem Feuerzeug rumspielen wäre dort ungefährlich. Es entstehen beim Stromtanken keine Gase, die entzündbar wären.

Eine Schnell-Ladesäule – das lernt man auf so einer Rallye – funktioniert mit Starkstrom. Wie jeder Küchenherd, jeder Durchlauferhitzer. Es ist also nicht so kompliziert, sie einzurichten.  

 

Unsere heutige Strecke, an diesem Montag, führt uns viel entlang des Rheins. Von Heinsberg geht es zunächst nach Remagen, wo wir die elektrischen Zweiräder von „Kumpan“ testen (elektrisch antreiben lässt sich ja vieles. Auch Tretroller…).

Ab Remagen müssen wir wieder die Augen offen haben – nach möglichen Schnell-Ladesäulen.

Mit dem Auffinden einer solchen Schnell-Ladesäule allein ist es dabei nicht getan: 

Hat man endlich eine gefunden, so stellt sich nun die Frage der Bezahlung. Wer betreibt diese Ladesäule? Ist das Laden umsonst? Dann kann es sogleich beginnen.

Wenn nicht, geht das anstrengende Vielfalts-Spiel „Wir wollen laden“ weiter: Man zückt seine Karte und hofft.

Wir haben nur die Karte von einem Anbieter mit, der aber behauptet, europaweit nutzbar zu sein („The new motion“). Sicher ist er das, nur an welcher Säule? Auch an dieser Stelle?

Im Grunde haben wir ja Tank-Karten dabei, mit denen wir überall in Europa zahlen könnten. Wir haben sogar zwei solcher Karten: Eine EC-Karte, eine Kreditkarte.

 

Aber außer in Norwegen sind sie völlig unbrauchbar, da jeder Ladesäulenbetreiber seinem eigenen Abrechnungssystem frönt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Team "Sager & Deus" (links Nick, rechts Swen) nicht richtig begeistert vor einer Schnell-Ladesäule.

Diese leidet zu unserem Ungemach unter akutem "Dornröschenschlaf" oder ähnlichen Symptomen. Sie funktioniert nicht!

Es ist zum Mäuse melken... 

Was für ein Armutszeugnis für unser ach so technologie-lobendes Ländlein.

 

So angestrengt hofft man auf modernem Wege an die benötigte Information („Wo finde ich jetzt eine Tank-Möglichkeit“) zu kommen. Im Navigationssystem unseres BMWi3 gibt es neben der Rubrik „Parkmöglichkeiten“ und „Tankstellen“ auch „Ladestationen“. Wir können eingeben, ob wir im Umkreis, am Zielort oder entlang der Route etwas suchen. Und wir können sogar angeben, welche Art von Stecker wir wollen, welche Art von Ladesäule, ob kostenlos oder nicht.

Schön.

 

Das einzige Problem: Valide Ergebnisse liefert die Suche mit dem Navigationssystem unseres BMWi3 nicht. Gar nicht. Selbst BMW-Händler mit Schnell-Lade-Möglichkeit, die wir über eigene Anrufe ausfindig machen, werden von dem System ignoriert, nicht angezeigt. Und als so veraltet kann unser BMW auch nicht angesehen werden. STIEBEL ELTRON hat ihn gerade mal vor einem gutem halben Jahr angeschafft.

 

Wie nun steht es mit der anderen Errungenschaft modernster Informationstechnologie, den APPs? Auch nicht besser. Keine davon scheint auch nur annähernd vollständig. Leider.

Die einzige Webseite, die recht hilfreich ist, findet sich unter www.goingelectric.de. Ihre Stärke: Die Benutzer werden gebeten, nach Besuch der Ladesäulen ein Feedback zur Situation für die anderen Nutzer zu geben. 

 

Kurzum: Die eigene Initiative ist gefragt. Die eigene Aktivität, die eigene Phantasie. Mitdenken. Mitschauen. Und die Hoffnung nicht aufgeben. Auch wenn sich manche Ladesäule an der Tankstelle bei näherer Betrachtung als bloß schnöder Staubsauger herausstellt.

 

Von Remagen geht es über einen Besuch an der Fachhochschule Bingen nach Mannheim. Im dortigen Parkhaus bei der Uni gibt es eine einfache Lösung für das Laden. Man zahlt es mit seinen Parkgebühren.

 

Prima. 

Summa summarum wird deutlich: Als Fahrer von Elektroautos sind wir in diesem Sommer 2016 noch immer Pioniere. Nicht aber wegen der vermeintlich zu geringen Reichweite der Fahrzeuge. Sondern wegen der kaum existierenden Infrastruktur.

Das Desiderat der Stunde: Schnelle Vereinheitlichung der Zugänge. Und ein massiver Ausbau.

Zu letzterem könnten auch die Autohersteller selbst beitragen. Sehr schnell und unkompliziert, z.B. in ihren vielen Niederlassungen, Filialen.

 

Sie könnten. Statt dessen kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die deutschen Automobil-Konzerne den Fortschritt dieser umweltfreundlichen, sauberen Mobilität geradezu behindern. Man meint, sie wollen geradewegs, dass es nicht funktioniert.

 

Als wir wieder einmal vor einer nicht-nutzbaren Ladesäule bei BMW (in Dortmund, siehe Foto unten) stehen, platzt unserem Rallye-„Konkurrenten“ Nick die Hutschnur. „Das dauert alles zulange. BMW - das ist ein Milliardenkonzern. Wenn sie die E-Mobilität vorantreiben wollen, stellen die hier zehn Ladesäulen hin. Und freien Zugang.“  

P.S. Dasselbe gilt natürlich auch für alle anderen, Mercedes zum Beispiel.

 

Bei BMW in Dortmund:Eine zugängliche Ladesäule gibt es wohl, nur braucht es für die Nutzung eine spezielle Legitimation. Und "natürlich" ist an diesem Sonntag niemand da, der sie stellen könnte.

Welch' Pleite!

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