Kapitel 3. Geladen von Hermann zu Heins. Zu der Frage: Was ist deutsch?

Die Frage „Was ist deutsch?“ ist doch eigentlich leicht zu beantworten. Machen wir es ähnlich wie die Dänen und definieren:

Deutsch ist, wer deutsch spricht und unsere Werte (wie sie sich im Grundgesetz finden) teilt.

Ansonsten: Es lebe der Unterschied! Alles andere wäre nationaler Selbstmord, weil sich Allgäuer, Holsteiner und Sorben nun mal auch nicht anders unter einen Hut bringen lassen. Es sei denn sie geben ihre Eigenheiten auf. Und das wäre dann eben: Suizid. Deutschland, situiert inmitten von Europa, umgeben von vielen Nationen, war, ist und wird immer vor allem dies sein: Vielfalt. Zwei Deutsche, fünf Kulturen.

 

Früher wurde die Frage „Was ist deutsch?“ gern mit dem Verweis auf Hermann beantwortet - dem Sieger der Varusschlacht (um 9 n.C.), dem 1875 eine über 25 Meter große Statue mitten im Teutoburger Wald gewidmet wurde. (Damals die größte der Welt.) Seine Tapferkeit wurde gepriesen, seine Kampfeslust, seine Treue.

Zwei Weltkriege und 75 Jahre später, 1950, wollte man „das Deutsche“ lieber anders definieren – und setzte neben den gigantischen Hermann eine kleine Plakette. Mit einem Bekenntnis der Deutschen zur Einigung der Völker durch Frieden, unterfangen von zwei Eichenblätter.

Dieses Pochen auf den Frieden als ultima ratio, diese starke Ablehnung der Gewalt, der „großen Scheiße Krieg“ (Helmut Schmidt) bildete über Jahrzehnte eine der wenigen soliden Grundideen, in denen die vielen verschiedenen Kräfte und Mentalitäten in Deutschland d’accord gingen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

                   Kleine Plakette neben Riesen-Hermann.

 

Das Bild der Elektroautos, die nun, 66 Jahre später, an diesem Sonntagmorgen das Denkmal umkreisen, könnte für ein neues Bild stehen, das dem deutschen Selbstverständnis eine weitere Facette zufügt!

Mit rund 15 Autos fahren wir hinauf, durch Detmold, eine Hochburg der klassischen Musik, hindurch, bei Hiddesen in den Teutoburger Wald hinein und auf den dortigen Parkplatz drauf. Und drüber hinweg, weiter. Denn wir dürfen hochfahren, mit den Autos  – dorthin, wo eigentlich nur der „Wanderer“ sein darf. Hoch zum Hermann-Denkmal selbst. Wir wollen eine Runde um den Hermann herum bilden – und müssen doch erstmal schieben. Der frisch zum Elektro-Auto umgerüstete Buik von Julius gibt den Geist auf. Es ist seiner amerikanischen Herkunft wohl etwas arg teutonisch hier oben...

 

 

 

 

 

 

 

            

Der Buik von Julius Wächter aus Stemwede ist Baujahr 1953, seit Juni 2016 ein Elektrofahrzeug. Noch hat er Identitäts-Probleme: Der Motorcontroller funktioniert noch nicht richtig. 

 

Mit gemeinsamen Kräften wird der Buik zur Seite geschoben und dann geht die Umkreisung des Hermann im Summ-Ton los.

Dieses Bild der leisen Elektroautos, die um den steinigen Hermann herum fahren, könnte also das Bild vom heutigen Deutsch-Sein darstellen. Immerhin liefert es gleich einen Haufen an passenden Symbolen auf einmal: Auto. Modernste Technologie. Ingenieurskunst. Internationalismus. Umweltschutz. Und jede Menge Idealismus. Und das mitten im Wald. Im Teutoburger Wald.

In diesem Bild ist „deutsch sein“ eben dies: (Um-)Weltschutz. Den Wald, die Natur erhalten.

 

Kann Umweltschutz, wie die Elektromobilität, herhalten als Konsens der deutschen Gesellschaft? Geht das als lebendiger Klebstoff für all unsere Vielfalt?

Ist das nicht Wunschdenken und Schönfärberei angesichts all der politischen Strömungen und Interessen? Was ist mit der Industrie, den Ökobauern, Ölraffinerie-Managern und Genforschern? Was mit den Grünen, Pegida, Photovoltaik-Produzenten, dem Naturbund, den Ruderern, der SPD, den Punks und den Postbeamten?

Wie sollte all dies einen Konsens finden?

 

Nun, der große Konsens der Nachkriegsjahre – Frieden – bedeutete auch nicht, dass alle die gleiche Meinung hatten. Es gab (und gibt) immer viele verschiedene Vorstellungen darüber, wie man den Frieden schafft und erhält. Während die einen radikalen Pazifismus lebten, stationierten andere Raketen als Abschreckung.

Aber über eines war man einig: Es muss Frieden herrschen.

In diesem Sinne gibt es in der bundesdeutschen Gesellschaft eine solide Einigkeit zum Naturschutz. Der Konsens lautet in etwa: Die (Um)-Welt muss erhalten, die Natur geschützt werden. Das ist zwar so banal wie „Ich möchte kein Loch im Kopf“. Aber es ist eben ein Konsens. Immerhin.

Also ja: Hier ist etwas Einheit! Ein gemeinsamer Wert.

 

Die These lässt sich auch und gerade durch Ereignisse bestätigen, wie z.B. den Vorschlag der Grünen einen Veggie-Day pro Woche einzuführen. Die Menschen schütteln den Kopf, ja, sie belächeln so etwas sogar verächtlich – und dann gehen sie in die Küche und bringen den fein getrennten Müll hinaus. Und diskutieren landauf, landab die möglichen Vor- und Nachteile von Erdwärme, die Wege weg vom Öl und Gas und den strikten Umweltschutz-Umsetzungen der Norweger und Dänen (die Öl- und Gasheizungen einfach komplett verbieten). Und natürlich diskutieren, beleuchten sie eben auch das, was man so hört von der veganen Ernährung. Und führen dann womöglich statt eines Veggie-Tages eine Vegan-Woche bei sich ein. Weil es ja Sinn mache...

 

Die These („Umweltschutz, wie Elektromobilität bildet den neuen Konsens der bundesdeutschen Gesellschaft“) finden wir auch bei unseren kleinen empirischen Feldforschungen bestätigt. Mit wem wir auch reden, wen wir auch befragen, wem wir auch von unserer Rallye erzählen: Die Menschen wollen neuartige, die Umwelt schützende Fahrzeuge.

Niemand ist dagegen, alle dafür. Und alle möchten so ein Auto, ein elektrisches.

 

Auch Günter Jeschke. Er und Alfred Brinkus sitzen in ihren grünen Arbeitshosen an der Hüvener Mühle, in der Hand ein Bier  – und wirken wie gemalt (siehe Tag 2, Teil 3, Teil). Beide sind Rentner. Günter, über 80 Jahre alt, passt ehrenamtlich auf die Wassermühle von 1802 auf, die 1850 zur Windmühle umgerüstet und vor wenigen Jahren für eine Million Euro restauriert wurde. Günter macht kleine Arbeiten, Reparaturen – und gibt den hier pausierenden Radlern Tipps. Elektroautos findet er gut, „aber es gibt ja keine Lademöglichkeiten“.

Er selbst würde gern ein Elektroauto kaufen. „Nur sind die ja sehr teuer. Und die Kaufprämie, die 5000 Euro oder so, die jetzt kommen sollen: Das ist doch auch nur für die Reichen. 30.000 Euro, das ist zuviel für den kleinen Mann.“ Günter, das wird klar, hat sich schon einige Gedanken zu dem Thema gemacht. „Was ist, wenn die Batterien kaputt gehen? Die deutsche Automobilbranche hat zu spät angefangen. Die setzen lieber auf große Autos. Unsereiner muss sich ja danach richten.“

Alfred würde auch lieber ein elektrisches Fahrzeug fahren. Obwohl: Oft braucht er es erstaunlicherweise nicht. „Die 30 bis 40 Kilometer im Umkreis, dafür hat man ja das Rad. Nur wenn man die Verwandten besucht, in Osnabrück, das ist so 100 Kilometer entfernt, da braucht man das Auto. “

(Dabei rollt Alfred das „r“  und das „brück“ scheint sich durch seinen ganzen Mund, in die Backen hinein auszubreiten, bevor es dem Zuhörer weich entgegenhallt. Osna-bröck! Da ist es wieder, dieses Eigene, das Facettenreiche, das sich in Deutschland alle paar Kilometer anders zeigt.)

 

Nach der Umkreisung des Hermann geht es nach Warstein. Zum Aufladen. Nicht bei der Bier-Brauerei, sondern bei „Infineon“ – dieser Technologie-Bude, die aus Siemens hervorging. Über 30.000 Mitarbeiter gehören dazu, weltweit. Sie entwickeln und produzieren vieles, auch für die elektrischen Autos. Komponenten für die Steuer-und Sensortechnik zum Beispiel Auch hier in Warstein.

 

 

 

 

 

 

 Monika Sonntag, Sprecherin von "Infineon" (links). 

 

Monika Sonntag ist eine Sprecherin des Unternehmens. Sie denkt vor allem an zwei Vorteile der Elektromobilität: Megacity-Tauglichkeit und Fahrvergnügen.

 

Für die Megacities dieser Welt werden elektrische Autos in Zukunft ein Muss, meint Frau Sonntag. Weil sie diejenigen Fahrzeuge sind, die nicht zum Anstieg der Erwärmung, des Lärms, des Feinstaubs, der CO2-Emission beitragen. „Ohne Elektroautos wird das Leben dort gar nicht mehr erträglich sein.“

Und das Fahrvergnügen? Frau Sonntag verweist auf den Spaß an Geschwindigkeit und Beschleunigung. Mit großen elektrischen Autos lässt man nämlich Porsche, Ferrari und Konsorten recht alt aussehen an der Ampel.

Alt sehen sie ja eh aus, die Benziner. Das sagt Frau Sonntag nicht explizit, dafür sagen es die Zukunftsforscher umso nachdrücklicher.

Frau Sonntag denkt zuversichtlich über die Entwicklung der Elektromobilität. „Der Anfang ist holprig. Aber es kommt. Und es muss ja auch kommen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Da schlägt das Herz glücklich höher: Unkompliziertes Saft-Laden in Düsseldorf bei VW. 

Von Warstein geht es über einen Besuch bei der FH Dortmund weiter nach Heinsberg. Auf dem Weg dorthin laden wir beim Düsseldorfer VW-Zentrum. Das hat zwar an diesem Sonntag nachmittag geschlossen. Ihre Ladesäule aber, mit der sie zur Infrastruktur beitragen, ist Tag und Nacht zugänglich. Und Schnell-Ladung ist auch möglich. We love it!

 

Und fahren vollgeladen weiter. Kurz vor Heinsberg setzt der Regen ein. Er wird uns die nächsten Tage treu zur Seite stehen. Manchmal ist Treue auch ziemlich doof…  

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